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Bitte lächeln!

Daniela Irle

19. September 2021

Wir lieben Erinnerungen. Besonders schöne. Und besonders die mit kleinen Kindern. Denn zum Glück vergessen wir häufig das Schlechte, erinnern uns vor allem bei Kindern eher an das Süße, Niedliche und werden ganz wehmütig, traurig bis depressiv, weil die Kleinen viel zu schnell groß geworden sind. Daher filmen und fotografieren wir immer mehr, um wenigstens etwas vom Augenblick festzuhalten.

 

Eigentlich weiß ich ja auch, dass ich vor allem das festhalten sollte, was witzig oder zumindest im Nachhinhein urkomisch ist. Zum Beispiel, als Frieda während ich gespült habe, auf den Esszimmertisch geklettert ist, sich gemütlich auf den Tisch gesetzt und die Tomatensoße genüsslich mit der Riesenkelle geschlabbert hat.
Da war sie wahrscheinlich ein Jahr alt. Durch ein Wunder habe ich mich nicht aufgeregt, konnte lachen und fotografieren.
Von vielem wird jedoch doch kein Foto gemacht: Von der Windel, die komplett ausgelaufen und deren Inhalt das Kind bis zum Nacken erreicht hat. Von dem Bett, das vollgekotzt oder vollgepinkelt wurde. Von dem Sturz, der uns einen Besuch im Krankenhaus beschert hat.
Stattdessen bemühen wir uns um das perfekte Bild:
Eins, das wir zu Weihnachten oder Ostern verschenken und mit dem all unsere Lieben angeben können. „Schau, wie klug er guckt und wie niedlich sie mit ihren Zöpfen aussieht.“
Wo die Farben und der Stil zusammenpassen und vom Hintergrund des Fotografen wundervoll ergänzt werden.
Manchmal gelingt uns so ein Wunderschnappschuss. Wo die einzige Macke ist, dass bei einem das Lächeln ein bisschen aufgesetzt wirkt. Doch der Weg dorthin ist steinig und von nicht einschätzbaren Hürden gepflastert und gefährlichen Pfützen manchmal buchstäblich gefüllt. 
Als wir das erste Geschwisterfoto mit damals noch drei Kindern beim freundlichen Angebot des Kindergartens machten,
war Lotta gerade drei Monate alt. Wir hatten eben unser neues Haus bezogen und mussten 40 Minuten fahren, bis wir Emils Kindergarten erreichten.
Ich kann mich nicht mehr erinnern, ob es mir gelungen war, die Jungen ohne größere Diskussionen und Pannen anzuziehen. Da Ben sich schon mit 1,5 Jahren gezielt Kleidung ausgewählt und diese entsprechend auch verweigert hatte, ist es eher wahrscheinlich, dass es größere Anstrengung gekostet hatte.
Egal – ich erinnere mich noch gut an eins:
Das kleine Mädchen hatte keine Lust. Es wollte gestillt werden und dabei einschlafen.
Das klappt aber nicht bei Fünfminutenterminen, wo andere Familien schon Schlange standen. Vermutlich hatte der Fotograf hinterher eine Sammlung an Bildern mit gestressten Jungen und einem schreienden Baby. Warum wir hinterher doch ein ganz passables Bild hatten, kann ich mir nicht mehr richtig erklären. Weshalb wir eigentlich dort gewesen waren, nämlich damit Emil ein Bild von seiner ehemaligen Gruppe als Abschied hatte – daran erinnert sich keiner mehr so richtig, da ausgerechnet dieses Bild bei der Abgabe verschwunden war.
Ein weiteres Mal starteten wir den Versuch, ein Geschwisterbild im Kindergarten anzugehen.
Ich versuchte aus allen Erfahrungen zu lernen und strengte mich an, am Tag zuvor wenigstens die Kleidung schon halbwegs festzulegen. Dafür musste Ben dann für den Rest des Tages eine andere Hose auswählen und Lotta gründlich nachdenken, da ihr Kleiderschrank dank vieler Erbstücke bestens gefüllt war. Die Schuhe waren trotz aller Gedanken wie immer nicht geputzt.
Immerhin hatte Lotta die Fotografin schon kennengelernt und wusste ihren Witz mit den Stinkefüßen vergnügt zu wiederholen. Das wiederum brachte schlagartig meine Erinnerung an verschiedene andere Hilfsmittel und Worte weiterer Fotografen zurück… Da war zum Beispiel „Ameisenscheiße“ – fest in unseren Fotografenwortschatz eingegangen.
Spaghetti gehörte schon zu den Langweilern und am besten war ein schwitzender, hampelnder Fotograf gewesen, der vor allem mit unterschiedlichen Lauten überzeugte und die Kinder mit beliebten Kacka-, Pipi-, Pupswörtern aus ihrer Reserve gelockt hatte.
Bei diesem Versuch verlief es recht human, mit „Na Großer!“, „Komm, große Prinzessin!“, „jetzt die kleine Prinzessin“, Seifenblasen und nur zwei verschiedenen Posen.
Ob sich der Marathon mit vier Kindern perfekt angezogen zu sein, pünktlich zu kommen, allen Pfützen auszuweichen, dreckige Autotüren nicht zu berühren,… gelohnt hatte? Es war okay – aber definitiv mein letzter Versuch.
Inzwischen haben wir mehr mit dem Schulfotografen zu tun. Und bisher zweimal den Termin vergessen und die Kinder ungestriegelt zur Schule geschickt. 
Ich bin gespannt, wie wunderbar natürlich meine zwei Grundschüler auf den letzten Bildern wegkommen…

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