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Der Ton

Daniela Irle

7. Februar 2023

Es war ein Geschenk gewesen: Ein großer Klumpen Ton.
Allein schon die Umstände und die Tatsache, dass ich so viel Material unverhofft geschenkt bekommen hatte, hatten mein Herz berührt und mich dankbar gestimmt.

 Nun war ich etwas unter Zugzwang, hatte mich selbst zu einer Übung verpflichtet und musste mir den Raum dafür schaffen. Ich tat es einfach. Setzte mich in die Küche, bearbeitete den Ton.
Knetete, nahm Wasser.
Meine Hände verbanden sich mit dem Ton, ich versuchte zu spüren und innezuhalten, was es in mir auslöste.

Ich wusste zunächst nicht, wie ich vorgehen sollte.
Erst eine lange Schlange, die ich versuchte zu einem Ganzen zu verbinden. Ich probierte.
Es gelang mir nicht.
Ich fand einen Tipp und begann neu. Das war gar nicht schmerzhaft.
Einfach liebevoll den Ton wieder zusammenfassen, neu kneten, neu formen.
Es sollte eine Schale werden, die mich an die Fülle erinnern sollte. 
Es ging leichter als ich dachte. Ich arbeitete mich von innen nach außen.
Aus der Kugel formte sich ein Gefäß.

Mit dem Wasser strich ich immer wieder glatt.
Ich hatte ganz vergessen, wie sich Ton anfühlte. Herrlich schmiegsam, biegsam, aber nicht zu weich. Leicht formbar, doch nicht wabbelig. Und glatt.
Während meine Finger behutsam über den Rand fuhren, spürte ich das Gefühl tiefer Entspannung, Wohlbefinden und Frieden.
Ich konnte kaum aufhören mit den Fingern über den Ton zu fahren. Kleine Unebenheiten wurden zart geglättet. Und immer wieder gab es den Moment, wo die feinen Rillen meiner Finger eine Spur in der Schale hinterließen. 

Und wie so oft in achtsamen Momenten spürte ich, wie Gott mir etwas sagen wollte.

Ich erinnerte mich an den Vers aus dem Buch Jesaja.
„Und doch, Herr, bist du unser Vater. Wir sind der Ton, du bist der Töpfer und wir sind das Werk deiner Hand.“
(NLB Holzgerlingen 2019)

Jesaja 64:7

Wie oft hatte ich mit diesem Vers den Fokus auf Biegsamkeit und ja auch Zerbrochenheit gelegt.
Ja, ich wollte mich von Gott formen lassen und doch war da Angst.
Was, wenn er mich nicht für gut befand und dann einfach alles änderte?
Mich zusammenschlug zu einem Klumpen und dann wurde etwas Neues daraus.
Was, wenn ich zerbrach?

Was, wenn Gott etwas tat, für das ich nicht bereit war?

Was, wenn aus mir plötzlich etwas anderes wurde?

Gott, der Mächtige, der mit mir machen konnte, was er wollte…

 

Als ich nun mit dem Ton selbst arbeitete, spürte ich kein machtvolles Gefühl. Ich war nicht die Meisterin, die mit Gewalt etwas bearbeitete.

Ich spürte etwas Herrliches, Wunderbares:

Eine ganz liebevolle Verbindung und Zugewandtheit. Ich bearbeitete den Ton voller Zärtlichkeit und Achtung. Und ich genoss jede Berührung. Feierte jeden Moment, als aus dem Klumpen immer mehr das Gestalt annahm, was ich mir vorgestellt hatte.

Was, wenn Gott mich auch so berührte? So liebevoll und zärtlich, dass man seinen Fingerabdruck in den Linien erkennen konnte?

Was, wenn er jede Begegnung und Berührung mit mir so feierte und genoss wie ich den Prozess mit meiner Schale?

Was, wenn es bei ihm Glücksgefühle auslöste, wenn er mir so nahe sein konnte?

Was, wenn er in dem Moment über mich jubelte und sich freute über das, was sich herausformte?

Was, wenn er es von Herzen genoss, mich mit seinen Händen zu berühren und zu sehen, wie ich Gestalt annahm?

Was, wenn Gott dich so sieht und berührt und du musst es nur noch zulassen?

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