Feiert und tanzt: Das Experiment
Daniela Irle
3. Oktober 2021
Wir sind erstmal sprachlos.
Zu sechst sind wir durch Schneeregen bis zum Atelier gelangt, haben uns umgesehen und dann gespannt das Gemälde betrachtet, das auf eine Staffelei gestellt wurde.
Unser Gemälde.
Hatten wir es uns so vorgestellt?
Es ist voll. Voller Farben, voll Bewegung, voller Leben. Ich sehe Blumen und viel Gold.
Ich sehe manche Stellen, die fast bedrohlich wirken.
Ich atme durch. Es war eine mutige, spontane Aktion gewesen. Etwas, das ich noch nie getan hatte. Die Kinder schauen auch. Mein Mann bleibt stumm. Wir finden einen kleinen Elch in Gold – Mein Mann liebt Schweden und Elche gehören dazu.
Wie waren wir dazu gekommen, hier kurz nach Ostern bei Wind und Wetter zu landen, um eine große Leinwand voller Leben und Farbe mitzunehmen?
Es hatte mit einem kleinen digitalen Treffen begonnen. Eingeladen hatte der Leiter einer Facebook-Gruppe für Künstler.
Ich hatte zuvor noch nie das Bedürfnis verspürt dieser Einladung zu folgen.
An diesem Tag war es anders. Wir waren nur wenige. Zu viert fanden wir uns im virtuellen Raum zum Austausch wieder.
Bis auf den Leiter kannte ich keine der zwei weiteren Teilnehmerinnen.
Wir plauderten, erzählten, was wir so machten.
Christina Muth folgte der Einladung, zu zeigen, welche Art von Bildern sie malte und was zu ihrer letzten Ausstellung gehörte.
Sie erzählte auch von den persönlichen Bildern, die sie intuitiv – ohne etwas abzusprechen – für Menschen malte.
Es war ein spannendes Gespräch. Die Farben und Eindrücke sammelten sich in meinem Kopf und formten sich zwei Tage später zu einer Idee.
Ich wollte mich auf so ein Experiment einlassen. Einfach etwas für uns als Familie, etwas speziell für uns malen zu lassen.
Mein Mann und ich besprachen uns, holten ein Maßband und überlegten. Dann telefonierte ich mit Christina. Ich erzählte ihr nicht allzu viel. Nur von vier Kindern: zwei Jungen und zwei Mädchen und wie mein Mann hieß.
Nun, ein paar Wochen später, stehen wir vor dem Ergebnis unseres Wagnisses. Wir können den Lack noch riechen.
„Wisst ihr, wie es heißt?“, fragt die Malerin. Wir haben keine Ahnung.
„Feiert und tanzt!“, erklärt sie.
Mir schießen die Tränen in die Augen.
Was für ein schöner Titel. Was für ein wunderbarer Aufruf!
Einen, den wir beide nicht so oft in unserem Leben gehört hatten. Eher war es immer darum gegangen, etwas zu schaffen, durchzuhalten, das Leben anzupacken und etwas auf die Beine zu stellen.
Feiern und tanzen war nicht das, was wir in erster Linie gelernt hatten – und wir wussten es.
Dieser Aufruf, die Farben, die Wildheit und Schönheit…
Fast andächtig verladen wir das Gemälde. Wir sind nachdenklich und schweigen zunächst auf der Fahrt.
Christina hatte noch weitere Sätze für uns aufgeschrieben, die sie beim Malen gehört hatte. Sie passten zu uns, als würde sie uns schon seit langer Zeit kennen. Sie waren so vertraut, als hätte ich sie selbst geschrieben.
Etwas später schickt sie mir die Musik, die sie beim Malen gehört hat. Ich höre sie mir direkt während der Fahrt an.
Sie gefällt mir und berührt mein Herz.
Ich bin gespannt, wie das Bild unser Wohnzimmer verändern würde.
Es ist spät am Abend, als wir vorsichtig die Folie lösen,
die Farben riechen und das Bild provisorisch an den vorhandenen Nägeln aufhängen.
Es wirkt noch fremd. Wie ein Fenster in eine andere Welt, die je nach Blickwinkel immer anders aussieht.
Eine Welt voller Schönheit, Leben, Farben, die ständig in Bewegung ist.
Ein paar Tage später kommen mir Worte zu unserem Bild. Hier teile ich sie mit dir.
Feiert und tanzt!
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