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„Müttersport“

Daniela Irle

30. März 2021

Dieser Text weckt üble Erinnerungen…
Zum Glück ist es schon ein bisschen her, dass ich ihn aufgeschrieben habe. Wickeln muss ich niemanden mehr, Schnuller suchen auch nicht. Vieles andere ist gleichgeblieben, auch wenn mein Gedächtnis inzwischen wieder besser funktioniert und die Kinder viel selbständiger geworden sind.

Jacken, Mützen, runtergefallene Schals, Schulranzen, Kindergartenrucksäcke,
Schuhe, Spielsachen…, und das ganze wieder von vorn.
Denn kaum habe ich das erste Teil aufgehoben, aufgehängt, zur Seite geräumt,
wird sicher jemand die Wand streifen, etwas herunterreißen oder nach Hause kommen oder mit Schwung wieder gehen.
Will ich selbst das Haus verlassen, läuft es ähnlich.
Nur dass es dann treppauf treppab geht. Schnuller oben suchen, Schal oben finden.
In der Zeit hat eins der Kinder gesucht, im Arbeitszimmer die Tür aufgelassen,
den Schrank geöffnet, die Schublade rausgezogen und fluchtartig den Raum verlassen.
Dann wieder treppauf, den Schuldigen suchen, treppab den Unschuldigen finden.
Ich weiß gar nicht, wer sich als Mutter überhaupt unsportlich finden kann.
Ich sollte mir mal einen Schrittzähler anlegen, der Höhenmeter gleich mitmisst.
Ganz abgesehen vom Kraftsport.
Das kleinste Kind ist nämlich zu langsam auf der Treppe, um den Weg im gewünschten Tempo bei Eile selbst zurückzulegen. Es ist auch zu klein, um allein unten gelassen zu werden.
Also auf die Arme fertig los.

Besondere Fertigkeiten werden jeweils erworben, sobald es gilt, Gegenstände dabei aufzuheben oder ebensolche mit nach unten zu befördern. (Wäschestücke, Bücher, Haarbürsten,…)
Am besten sind dann die Momente, die mich an allem zweifeln lassen.
Endlich sind alle angezogen. Die ersten warten vor der Tür.
Das jüngste Kind macht in die Hose.
Treppe hoch, wickeln, wieder runter.
In der Zeit hat sich ein anderes Kind aus Langeweile wieder die falschen Schuhe angezogen, die anderen beiden sind draußen auf den Zaun geklettert und haben sich dabei die Hosen eingesaut.
Dann sitzen alle im Auto.
Alle sind angeschnallt, inklusive mir selbst.
Ich wende das Auto, und erspähe beim Losfahren die weit geöffnete Kinderzimmerbalkontür. Wieder im Auto, Motor starten – Wo ist mein Handy??

Auch gemeinsame Mahlzeiten haben sportlichen Charakter.
Denn kein Kind kann in Ruhe essen. Eins muss aufs Klo. Eins hat seine Brotdose im Rucksack vergessen. Eins muss sein letztes Kunstwerk den Eltern zeigen. Immer runter vom Stuhl auf zur Tür. Tür auf. Tür zu. Tür auf …
In der Zeit hat das Kleinste versucht allein zu essen.
Essen auf dem Tisch, auf dem Schoß, Essen auf dem Boden. Lappen holen, alles abwischen.
Kind auch säubern. Puh, alles geschafft – nun noch mal gemütlich ins Brot beißen.
Den nächsten umgefallenen Becher hebt jemand anders auf,
aufwischen muss auch der große Bruder –
mein aufgeweichtes Brot mache ich mir dann doch selbst frisch.
In meinem nächsten Mütterleben sind meine Kinder perfekt erzogen,
schließen jede Tür selbst, schalten jeden Lichtschalter wieder aus,
räumen ihre Klamotten an Ort und Stelle, bleiben artig speisend am Tisch und
fahren mich dienstagabends zur Turnstunde.

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