Von Plänen und Umwegen
Daniela Irle
23. Januar 2024
Zuerst kam das Chaos und viele Warnungen. Eisregen. Die Züge viel später, an anderen Orten – mein Mann Stunden später zu Hause.
Wie soll man entscheiden?
Zum Termin fahren oder zu Hause bleiben? Zur Schule schicken oder nicht?
Und dann kam der Schnee. Plötzlich war wieder alles heller und die Stimmung besser.
Die Kinder waren plötzlich wieder draußen.
© Foto: Daniela Irle
In beiden Fällen hieß es Pläne ändern. Und den einen gefielen die Änderungen, den anderen weniger.
Immer wieder fällt mir in solchen Situationen der Bibelvers aus Sprüche 16, 9 ein:
„Ein Mensch kann seinen Weg planen, seine Schritte aber lenkt der Herr.“
Für mich heißt das, immer offen für göttliche Planänderungen zu sein.
Nicht einfach gar nichts zu planen.
So manche Änderung in meinem Leben hat später für großes Glück gesorgt – auch wenn es im ersten Moment nicht immer danach aussah.
Durch einen großen Vertrauensschritt, lernte ich auch Michelle kennen. Wenn ich an Michelle denke, sehe ich ein warmherziges, kluges Gesicht mit einer strahlenden Leuchtkraft.
Vor kurzem erzählte sie in einem Brief ein Erlebnis, das ein paar Jahre zurückliegt. Es hat mich tief berührt und so habe ich Michelle gebeten, es hier teilen zu dürfen.
Zu dem Zeitpunkt lebte sie, eine hellhäutige Amerikanerin, in einer sehr ländlichen Gegend in einem kleinen Dorf in der Sahara. Gemeinsam mit ihrem Mann und ihren Kindern hatte sie sich dem einfachen Leben der Menschen dort angepasst.
Wann immer sich ihr eine Gelegenheit bot, Menschen freundlich und liebevoll zu begegnen, nutzte sie diese.
Vor 20 Jahren, als ich sie kennenlernte, durfte ich selbst eins dieser Wüstendörfer kennenlernen und in einer Hütte aus trockenem Erdmatsch schlafen und von Termiten erfahren.
Es gab keine Kühlschränke, keine Supermärkte und kein frisches Obst. Dafür Kröten im Haus, Skorpione und Eidechsen. Und natürlich Hitze.
Alles reflektierte die Wärme der Sonne.
An einem besonders heißen Tag vor sechs Jahren, hatte Michelle die Gelegenheit eine Freundin zu treffen, die auf der Durchreise war. Sie kam von der Hauptstadt, in der es kühle Getränke zu kaufen gab und schenkte Michelle zum Abschied zwei Packungen voll kühlen Safts. Was für ein Geschenk – mitten in der Wüste. Wie sich ihre Kinder darüber freuen würden!
Während Michelle sich der Hitze trotzend anschickte in den Schatten nach Hause zu kommen, spürte sie ein seltsames Drängen, einen anderen Weg einzuschlagen. Ihre schon seit Monaten verletzte Achillessehne schmerzte und nichts in ihr wollte länger unterwegs sein, als irgend nötig.
War das der heilige Geist?
Erneut fühlte sie den Stups, die andere Staubstraße zu nehmen. Mit geöffneten Augen und Ohren wählte sie den Umweg, bereit aufmerksam zu hören, warum sie nun hier sein sollte.
Ihr Fuß schmerzte bei jedem Schritt im Sand.
Überall verstreut Zelte, umgeben von Müll, kleine Kochfeuer, halbnackte Kinder.
Während sie tapfer weiterging, rief eine der Einheimischen sie vom Zelt her zu sich in den Schatten, wo sie mit ihrer Familie Zuflucht vor der Hitze suchte.
Sie folgten der üblichen Begrüßungszeremonie. Friede sei mit dir. Wie geht es deiner Familie? Deinem Mann, deinen Kindern,… Michelle wurde zu einem nächsten Zelt geführt und freundlich begrüßt.
Es entsprach der Gastfreundschaft des Landes, Fremde willkommen zu heißen und sich bei ihrem Besuch geehrt zu fühlen.
„Wie gut, dass du gekommen bist“, sprach die Frau. In der Hoffnung, dass Michelle als Weiße mit medizinischem Know-How ausgestattet war, wurde ihr von einem gerade frisch geborenen Baby berichtet.
„Komm mit, ich bringe dich zu ihr!“
Als Michelle das dritte Zelt weit ab von ihrer eigentlichen Heimatroute betrat, lächelte ihr eine junge Mutter mit einem vor gerade fünf Minuten geborenen Baby entgegen und begrüßte sie wie eine Schwester.
Michelle kniete sich neben der Mutter nieder, wischte ihr über die verschwitzte Stirn, betrachtete das wunderschöne, noch ganz mit Käseschmiere bedeckte Baby und saß dort andächtig schweigend eine Weile neben ihnen.
Plötzlich fielen ihr wieder die beiden Saftpackungen in ihrem Rucksack ein.
Nun wusste sie, warum Gott sie einen anderen Weg geführt hatte.
Die junge Mutter und alle anderen anwesenden Frauen im Zelt kamen in den außergewöhnlichen Genuss des Saftes.
Bevor sie sich schlussendlich doch auf den Weg nach Hause machte, fragte Michelle noch, ob sie für das Baby beten dürfe. Dieses Angebot wurde voller Dankbarkeit angenommen. So begann sie Segen über dem Leben des kleinen Neugeborenen auszusprechen.
Während sie betete, spürte sie ein Kribbeln in ihrer Achillessehne und eine Wärme, die trotz der Wüstenhitze zu spüren war.
Als sie sich nach dem Gebet erhob, war ihr kompletter Fuß schmerzfrei.
Völlig außer sich vor Freude, dass ihre Achillessehne offensichtlich vollständig geheilt war, machte sie sich nach Ablauf der Abschiedszeremonie durch die Hitze endlich auf den Weg nach Hause.
Michelle schreibt:
„Wenn Gott unsere Wege umleitet, möchte er beides: Uns segnen und uns ein Segen für andere sein lassen. Ich frage mich, wie offen sind wir, uns von unserer normalen Route abbringen zu lassen?“
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